Verrückt – ein Heimkommen

Verrückt.
Ein Wort, das oft belächelt, manchmal gefürchtet wird.
Doch lauschen wir genauer, hören wir: ver-rückt.
Etwas hat seinen Platz verlassen.
Etwas wurde aus der Mitte geschoben.
Nicht zerstört, nicht verloren – nur verschoben.
Die kindliche Abspaltung
Als Kinder kommen wir ganz an – leuchtend, offen, ungeteilt.
Doch die Welt der Erwachsenen ist selten so klar.
Wir lernen früh: So, wie wir sind, reicht nicht.
Wir spüren Erwartungen, unausgesprochene Forderungen.
Wir wollen geliebt werden – und so verschieben wir Teile von uns.
Unsere Wildheit, unsere Zärtlichkeit, unsere Verletzlichkeit.
Wir rücken sie beiseite, legen sie in die Dunkelheit,
damit wir in der Helligkeit des elterlichen Blickes bestehen können.
So spaltet sich etwas ab – ein Teil lebt im Außen,
ein Teil wartet im Inneren.
Die Rückkehr in die Ganzheit
Doch das Ver-rückte bleibt in uns lebendig.
Es klopft, es ruft, manchmal flüstert es in Träumen,
manchmal schreit es in Krisen.
Es will zurück.
Nicht, um uns zu verwirren –
sondern um uns zu vervollständigen.
Wenn wir beginnen, unser Bewusstsein zu weiten,
über das alte Erlernte hinaus,
öffnet sich eine Tür.
Wir erkennen: Ich bin nicht nur, was meine Eltern in mir sahen.
Ich bin mehr.
Ich bin ganz.
Die heilsame Verrücktheit
Vielleicht ist es also gar kein Fehler, verrückt zu sein.
Vielleicht ist es eine Einladung.
Ein Ruf, das Verschobene heimzuholen.
In die Mitte.
In die Einheit.
Und in dieser Rückkehr geschieht Heilung.
Nicht, weil wir perfekt werden –
sondern weil alles wieder seinen Platz findet.
Auch das, was einst ver-rückt war.
⸻
Kommentar hinzufügen
Kommentare